Frachtschiffreisen
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Fortsetzung Conmar Gulf

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Tag 9 (Dienstag, d. 21.03.2017)
Heute erreichen wir das erste der angestrebten Ziele dieser Reise, nämlich das AWT (All-Weather-Terminal) in Kokkola. Schon um 03:15 Uhr kommt der Lotse an Bord. Aufgrund der südwestlichen Winde der letzten Tage ist das Eis in Richtung Norden gedriftet. Hier vor Kokkola herrscht nur eine sehr dünne Eisdecke. Am Horizont kündigt sich der beginnende Tag an.

Wir laufen mit nur geringer Geschwindigkeit in den General Port, drehen nach Backbord und schleichen mit weniger als Schrittgeschwindigkeit entlang der Mole in die riesige „Garage“ hinein. Ein imposanter Anblick, wenn ein derart großes Schiff nahezu komplett in einer Halle verschwindet, nur das Heck mit den Aufbauten bleibt draußen. Das Manöver dauert etwa 45 Minuten. Mich hält es nicht lange an Bord, ich ziehe wieder meine gelbe Jacke an und erkunde die Halle und unseren „Garagenplatz“.

Wolfgang und ich beschließen, uns die Stadt Kokkola etwas näher anzusehen. Auf die Frage nach einer Verkehrsverbindung in die Stadt bietet uns der Vormann der Stauerei an, uns mit seinem Pickup dorthin zu bringen. Wir sagen nicht nein und sind schon um kurz nach 10:00 Uhr Ortszeit (MEZ +2) am Bahnhof.

Wir schlendern durch die Straßen, bestaunen mitten in der Stadt einen gigantischen Findling und landen schließlich in einem Shop, in dem Wolfgang sich erst einmal mit gelber Warnjacke und Fellmütze eindeckt.

Nach einem Kaffee in einem Einkaufszentrum bringt uns ein Taxi zurück direkt bis zum Schiff. Dort ist gerade ein Teil der Crew dabei, die Tiefgangsmarken am Heck der CONMAR GULF mit einem neuen Anstrich zu versehen. Auch in diesem Fall seilt sich ein Matrose mit einem Bootsmannsstuhl ab hinunter bis aufs Wasser. Ich mache noch einen kleinen Rundgang um die Halle herum und sehe mir die Hafenschlepper an, bevor wir um 20:00 wieder auslaufen. Vom Lotsen bekommt der Kapitän noch ein paar neue Wegepunkte, um besser durchs Eis zu kommen. Die Eiskarte für den 22.03.2017 zeigt entlang der Küste einen Streifen „very open ice“.

Tag 10 (Mittwoch, d. 22.03.2017)
Die neuen Wegepunkte haben uns zwar ein gutes Stück vorangebracht, zuletzt aber mit einer Geschwindigkeit von nur 2 kn. Um 01:37 sitzen wir dann fest. Weder „voll voraus“ noch „voll zurück“ nutzen. Es geht nicht weiter. Der nächste Eisbrecher ist diverse Stunden entfernt und außerdem mit anderen Problemkunden beschäftigt. Weitere Eigenversuche zur Befreiung erscheinen zwecklos, zumal uns in der Dunkelheit auch die starken Suchscheinwerfer keinen Weg zeigen können. Der wachhabende 2. Offizier lässt die Hauptmaschine abstellen, ich begebe mich in meine Koje.

Am Morgen entdecke ich in geringer Entfernung den kleinen Zementfrachter FURUVIK. Der hat ebenfalls größte Probleme mit dem Eis, wenngleich es ihm anscheinend immer wieder gelingt sich zu befreien. Unser Kapitän lässt um 08:00 Uhr die Maschine an, und es gelingt ihm tatsächlich, das Schiff zu befreien. Jetzt bei Tagelicht kämpfen wir uns einen Weg durchs Eis, der einem Slalom gleicht. Trotz voller Motorleistung schwankt die Geschwindigkeit zwischen 0,0 und 14 kn. Während in den vergangenen Tagen immer nur der jeweils Wachhabende auf der Brücke allein war, sind jetzt nicht nur der Kapitän und der Chiefmate, sondern auch noch ein Matrose als Rudergänger auf der Brücke.

Das Schiff ächzt und schüttelt sich. Auf der – leider überdachten - Back hört man das Getöse berstender Eisschollen am intensivsten. Ein Blick durch die „Fenster“ zeigt den Grund: Der Wulstbug rammt sich mit Gewalt immer wieder in das etwa 50 cm dicke Eis. Sobald das Schiff wieder etwas Fahrt aufgenommen hat, fliegen die Eisbrocken seitlich weg. Dieses Spektakel werde ich wohl so schnell nicht vergessen.

Um 11:15 ist es dann aber endgültig vorbei. Kein Versuch gelingt, uns zu befreien. Jetzt hilft nur noch der Eisbrecher. Um 15:15 erscheint dann KONTIO aus Richtung Oulu, also unserem nächsten Zielhafen. Er fährt dicht an uns vorbei und verschwindet dann wieder am Horizont. Wir aber können in der von ihm frei gebrochenen Fahrrinne unsere Fahrt fortsetzen.

Um 16:45 ist es damit aber schon wieder vorbei, obwohl das Fahrwasser relativ frei ist. In Höhe des Leuchtfeuers Oulu1 kommt normalerweise der Lotse für Oulu an Bord. Aufgrund der Eissituation ist das aber nicht möglich, folglich übernimmt KONTIO das Lotsen bis zu einem geeigneten Übersetzpunkt für den Lotsen.

Um 19:00 Uhr haben wir diesen Punkt dann erreicht, KONTIO dreht bei, die CONMAR GULF verringert ihre Geschwindigkeit und der an der Eiskante wartende Lotse steigt über. Sein Fahrer saust mit dem Hydrocopter davon, seine Eisrutsche/Eissteg bleibt zurück. Einlaufen Oulu und fest am Oritkari-Kai um 21:00 Uhr.

Tag 11 (Donnerstag, d. 23.03.2017)
Die Nacht war sehr ruhig, in Oulu wird nachts nicht entladen. Aber um 07:00 Uhr geht’s dann los. Nach einem stärkenden Frühstück (Rührei mit Bohnen) mache ich mich bei strahlend blauem Himmel auf zu einem kleinen Rundgang über den Kai. Um 12:00 Uhr läuft dann die TRANSTIMBER ein, mit der ich bereits 2012 schon einmal hier in Oulu war. Auch damals hatten wir viel Eis, steckengeblieben waren wir allerdings nicht.

Die TRANSTIMBER bringt uns den Lotsen mit, der uns bis Kemi  begleiten wird. Um 12:30 starten wir. Beim Auslaufen fällt noch mein Blick auf den jetzt hier wartenden Eisbrecher KONTIO. In einem anderen Hafenbecken entdecke ich die FURUVIK, die gemeinsam mit uns sich zwei Nächte zuvor durchs Eis gekämpft hatte.

Die Fahrt nach Kemi verläuft völlig problemlos mit 9 bis 12 kn durch eine freigehaltene Fahrrinne. Nur bei der Slalom-Durchfahrt zwischen den Oulu vorgelagerten Inseln wirken Lotse und Kapitän etwas angespannt. Um 15:30 Uhr passieren wir den erst 2016 in Dienst gestellten Eisbrecher POLARIS.

Einige Besatzungsmitglieder (oder Fahrgäste?) halten sich neben dem Schiff auf und drehen mit einem Motorschlitten ihre Runden. Einige Seemeilen vor Kemi beobachte ich 3 Personen mit ihren Motorschlitten neben einer Fahrrinne. Anscheinend warten sie auf etwas.

Nachdem wir die Hafeneinfahrt passiert haben, verlässt der Museumseisbrecher SAMPO den Hafen und fährt zu dieser Personengruppe. Vermutlich handelt es sich um eine Passagierfahrt, denn hiervon finanziert sich das Schiff teilweise. Um 18:00 Uhr sind wir fest, geladen wird nur bis 22:00 Uhr. Morgen geht’s weiter.

Tag 12 (Freitag, d. 24.03.2017)
Nach dem Frühstück mache ich noch einen kleinen Rundgang an Land. Nun  dreht der Hafenschlepper JÄÄSALO noch ein paar Runden, um das Eis im Hafenbecken aufzulockern und uns das Drehen zu erleichtern.

09:30 Uhr: Der Lotse ist an Bord, es geht los. Aber irgendwann muss der Lotse ja auch wieder von Bord, nicht erst in Kiel. Die Frage „Wie?“ wird schon eine halbe Stunde später geklärt. Auf Steuerbordseite brummt ein Hydrocopter an uns vorbei, stoppt an einer Prigge nahe der Fahrrinne, und der Fahrer steigt aus.  Wie schon in Oulu folgt eine spektakuläre Aktion. Der Fahrer schiebt einen Steg mit Kufen an das sich langsam nähernde Schiff heran. Der Lotse klettert die Leiter hinunter, macht einen großen Schritt und marschiert über den Steg aufs Eis.

Das alles während das Schiff mit geringer Geschwindigkeit fährt. Lotse und Fahrer des „Fliewatüüt“ ziehen den Steg etwas von der Fahrrinne zurück, steigen in ihr Fahrzeug und brummen zurück nach Kemi. Der Kapitän der CONMAR GULF legt den Fahrhebel auf „voll voraus“, und wir kämpfen uns mit 7 kn durch die Fahrrinne.

Eine gute Stunde später ist es dann erst einmal aus mit der Fahrt durchs Eis, wir stecken fest. Mehrere Versuche, das Schiff aus der Umklammerung durch das Eis zu befreien, scheitern. Es gibt weder ein Vor noch ein Zurück. Da hilft nur noch ein Eisbrecher. Schon nach nur einer halben Stunde, um kurz vor 12:00 Uhr, ist ATLE da, einer der schwedischen Eisbrecher. Er kommt uns entgegen und fährt an Steuerbord vorbei, wie durch Butter.

Hinter uns wendet er und passiert uns nochmals an Backbord und setzt sich dann vor uns. Wir kommen frei und folgen ihm, aber nur wenige hundert Meter. Schon 5 Minuten später sitzen wir wieder fest. Jetzt fährt ATLE rückwärts wieder an Steuerbord an uns vorbei, um uns dann erneut an Backbord zu überholen. Ein neuerlicher Versuch, ATLE zu folgen, scheitert. Der Eisbrecher unternimmt einen weiteren Versuch, das Eis unmittelbar neben der CONMAR GULF zu knacken, setzt sich dann wieder direkt vor unseren Steven, und wir können ihm folgen. Es ist jetzt 13:30 Uhr, unsere Befreiung hat 1 ½ Stunden gedauert. ATLE fährt in sicherem Abstand noch weitere 1 ½ Stunden vor uns her und kehrt dann um.

Das Eis ist zwar immer noch recht dick und fest, wir können aber nunmehr frei fahren. Kurze Zeit später passieren wir unseren Ersthelfer KONTIO, der hier auf Warteposition liegt, mit 11 -13 kn. Um 16:40 haben wir dann einen Bereich erreicht mit nur noch dünner und relativ offener Eisbedeckung.

Um 18:40 Uhr passieren wir mit 16,5 kn die Eisgrenze und haben vor uns freies Wasser. Zum Dinner gibt es heute eine leckere gebratene Makrele mit Bratkartoffeln, natürlich alles kalorienreduziert.

Tag 13 (Sonnabend, d. 25.03.2017) (Seetag)
Der Wind bläst mit 6 Bft aus West, wir haben eine leichte Bewegung im Schiff bei traumhaftem Sonnenschein. Leichte Schaumkämme krönen die Wellen, ab und zu spritzt es etwas. Wir haben jetzt etwas größeren Tiefgang als auf der Reise nordgehend, obwohl das Schiff auch jetzt nur mit 4.491 t (204 Container/257 TEU) beladen ist.

Die Crew beschäftigt sich wieder mit den üblichen Instandhaltungs- und Malerarbeiten. Kurz vor Mittag stehe ich am Heck auf dem A-Deck und wundere mich, dass sich über mir der Propeller des Rettungsbootes dreht. Gleichzeitig ziehen Rauchschwaden über mich hinweg. Ich befürchte Schlimmes. Ein Spurt auf’s B-Deck und ich sehe, dass der Chief den Motor des Rettungsbootes gestartet hat und ihn zur Probe laufen lässt. Gegen Mittag nimmt der Wind ab auf 5 Bft, wir pflügen mit 18,3 kn durchs Wasser. Um 15:00 Uhr ändern wir in Höhe des Leuchtfeuers „Svenska Björn“ nord-östlich von Stockholm unseren Kurs auf 212°, also nach Süd-Süd-West gerade in Richtung Gotland und Öland.

Nach dem Dinner sitzen Kapitän, Chiefmate und 2. Ingenieur auf der Brücke vor dem Bord-PC und betrachten meine ersten 2.800 Fotos. Ich hatte dem Kapitän meine SD-Karte zum Kopieren gegeben.

Tag 14 (Sonntag, d. 26.03.2017) (Seetag)
Um 06:00 Uhr (wir haben seit heute Nacht Sommerzeit!) weckt mich ein noch nie gesehener Sonnenaufgang an der Südspitze Ölands. Vor dem roten Horizont –die Sonne ist noch nicht darüber geklettert- schiebt sich die Silhouette des Papierfrachters PULPCA. Aus dieser Perspektive erscheint mir das Schiff wie eine taiwanesische Piratendschunke.


Schließlich überholt uns die PULPCA. Es herrscht Windstille, die Ostsee ähnelt einem Ententeich. Über dem Wasser erkennt man deutlich den Smog aus den Schornsteinen der Schiffe.

Um 12:30 begegnet uns in 2,9 sm Abstand im Gegenlicht die DORNBUSCH, auf der konnte ich 2016 meinen Geburtstag feiern (mein Reisebericht). Auch jetzt ist sie wieder unterwegs von Hamburg über Bremerhaven nach Stockholm, Södertälje und Ahus.

Um 15:00 Uhr zieht starker Nebel auf. Zeitweise ist der Vormast nicht mehr zu sehen. Als wir um 20:30 Puttgarden an Backbord passieren lichtet sich der Nebel, um 22:00 Uhr haben wir dann einen sternenklaren Himmel.
Um 23:30 laufen wir als eines von 9 Schiffen in die Holtenauer Schleuse ein. Während die AURORA mit 4 anderen Schiffen in der Südschleuse unterkommt, finden wir mit 3 weiteren in der Nordschleuse Platz. Eine derartige Häufung ist schon recht selten. Wir bunkern in der Schleuse wieder Frischwasser.

Tag 15 (Montag, d. 27.03.2017)
Während wir um 01:00 Uhr die Schleuse verlassen, läuft bereits in die Südschleuse die ALEXANDER B ein, auf der ich vor 2 Jahren eine einwöchige Rundreise gemacht hatte. Extrem dichter Nebel versperrt mir jede weitere Aussicht, ich gehe in meine Koje.
Um 07:10 erkenne ich beim Aufwachen über dem Schiff immer noch im Nebel schemenhaft die Stahlkonstruktion der Grünentaler Hochbrücke. Die große Nordschleuse in Brunsbüttel ist besetzt durch die VERA RAMBOW, die ELENA und die LISA LEHMANN. Wir gehen in die große Südschleuse. Auf der Elbe überholen wir dann die VERA RAMBOW auf unserem Weg nach Hamburg. Im Laufe des Vormittags lichtet sich der Nebel, und wir haben wieder eine traumhafte Sicht. In Wedel am Willkommshöft werden wir begrüßt, Blankenese zieht an uns vorbei.


Nachdem wir wieder die Köhlbrandbrücke passiert haben sind wir um 13:00 am CTA fest. Wolfgang und ich verabschieden uns von der Besatzung der CONMAR GULF und warten auf der Pier auf den Shuttle Bus.

Resümee
Nach 2 vergeblichen Versuchen, eine Eisfahrt zu unternehmen, musste es jetzt klappen. Und es hat geklappt, und zwar zu 100 %. Das fing schon bei der Buchung an. Der Kontakt zu den Damen der Reederei war ausgesprochen nett, die Abwicklung vollkommen unkompliziert. Die gesamte Besatzung der recht jungen CONMAR GULF immer geduldig und freundlich, das Zusammenleben auf dem Schiff sehr angenehm. Meine Kammer groß, hell und freundlich, wenngleich die recht harte Matratze meiner Koje mir anfangs Probleme bereitete. Das Wetter und natürlich die Eisverhältnisse waren – für mich - ideal. Ich bin vollauf zufrieden.
Noch was Wichtiges
Parallel zu diesem Reisebericht hat Wolfgang Poddig einen phantastischen Videobericht verfasst. Es lohnt sich, diesen auf seiner Webseite oder auf seinem YouTube-Kanal anzusehen.

Hauptdaten des Schiffes


Name

CONMAR GULF

Länge

129,62 m

Flagge

United Kingdom

Breite

20,60 m

Heimathafen

London

Max. Tiefgang

7,41 m

IMO

9.341.964

Max. Geschwindigkeit

17,5 kn

Rufzeichen

2FXW4

Tragfähigkeit (BRZ)

8.146 t

Reederei

Conmar Shipping

Max. Kapazität

698 TEU

Indienststellung

2007

davon Kühlcontainer

118 TEU

Bauwerft

Fujian Mawei Shipbuilding
Mawei, China

Hauptmaschine

MAK 8M43 (4-Takt)

Bautyp/Nummer

437 - 23

Maschinenleistung

7.200 kW (9.783 PS)

Eisklasse

E3 = A1

Hilfsdiesel

3 je 450 kVA

aktueller Standort

Wellengenerator

1.250 kVA

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